Ein Jahr Lehman: Schlechte Bilanz für Kunden

Ein Jahr nach der Lehman-Pleite zieht die Verbraucherzentrale Hamburg eine ernüchternde Bilanz der Lehren aus der Finanzkrise: Die meisten Lehman-Opfer stehen nach wie vor ohne Entschädigung da.

Wohl haben sich die Hamburger Sparkasse, die Frankfurter Sparkasse und die Citibank um Vergleichslösungen bemüht. Doch was für die Verbraucher bisher dabei heraus kommt, ist enttäuschend. Nach Schätzungen erhalten nur rund ein Viertel der Kunden eine Entschädigung, deren Höhe bei 10 bis 100 Prozent des Schadens liegt. Die Dresdner Bank – inzwischen Commerzbank – will das Problem offenbar aussitzen. Nicht einmal zeitnahe Antworten erhalten die Betroffenen, wenn sie ihre Ansprüche anmelden. Auch die Postbank, die Delbrück Bank und die Apo-Bank bleiben stur.

Auch wenn eine Entschädigung gezahlt wird, räumt kein Geldhaus ein, falsch beraten zu haben. Sie begründen ihr „Entgegenkommen“ mit sozialen Gründen auf Seiten des Kunden oder mit der guten Geschäftsbeziehung. Bei Falschberatung hinsichtlich anderer Zertifikate oder anderer Bankprodukte sind außergerichtliche Verhandlungen nahezu aussichtslos.

Die meisten Kunden müssen auf den Ausgang der gerichtlichen Pilotverfahren warten. Eine gefestigte Rechtsprechung gibt es nicht, aber einige ermutigende Urteile – insbesondere vom Landgericht Hamburg. Die Entscheidungen an anderen Orten fallen mal pro Kunde, mal pro Bank aus, wobei die Zahl der für die Verbraucher günstigen Entscheidungen überwiegt.

Die Beratung in den Geldinstituten hat sich nicht entscheidend verändert. Zwar werden nicht mehr so offensiv Zertifikate an unerfahrene Kunden verkauft, aber nach wie vor die für die Altersvorsorge ungeeigneten langfristigen fondsgebundenen Rentenversicherungen. Nichts hat sich nach dem Eindruck der Hamburger Verbraucherschützer an den Vergütungsanreizen für die Bankmitarbeiter geändert. Allerdings weisen die Banken jetzt hin und wieder auf Provisionsrückvergütungen hin – offenbar, um sich gegen spätere Kundenansprüche abzusichern.

Aus Verbrauchersicht haben sich die Gesetze seither nicht entscheidend verbessert. Ausnahme: Eine Sondervorschrift zur Verkürzung der Verjährung bei Ansprüchen aus fehlerhafter Beratung bei Finanzprodukten wurde abgeschafft. Eine echte Beweislastumkehr wurde jedoch nicht eingeführt. Banken brauchen sich nach wie vor nicht zu rechtfertigen, wenn sie risikoscheuen Anlegern riskante Anlagen verkauft haben. Unverändert sind die Provisionsanreize für den Vertrieb.

Eine Produktprüfung („TÜV“) gibt es nach wie vor nicht. Kostentransparenz: Fehlanzeige. Die Verbraucherzentrale Hamburg liefert mit dem Ratgeber „Ampelcheck Geldanlage“ eine erste Orientierung für Verbraucher, sich im Angebotsdschungel zurechtzufinden. Sie muss sich seither – mit Erfolg – gegen die einstweilige Verfügung eines Unternehmens der Versicherungswirtschaft (Debeka) zur Wehr setzen.

Die Geldinstitute haben ihre Preise für Raten- und Dispokredite trotz extrem niedriger Leitzinsen nicht angepasst. Die Sparzinsen hingegen sind nach wie vor im Keller. Viel Empörung bei ratsuchenden Verbrauchern gibt es zu Recht über Zusatzentgelte (performance-fee) bei einigen Investmentfonds. Fondsverwalter bzw. die ausgebenden Geldhäuser wollen mehr Geld vom Kunden, wenn der Fonds eine beliebig gesetzte Grenze (benchmark) schlägt. „Doch das ist ja ihr eigentlicher Job, für den sie ohnehin schon Ausgabeaufschläge und Verwaltungskosten kassieren“, sagt
Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg, und weiter: „Überdies ein neuer Versuch, die echten Preise zu verschleiern“.

Bei den Verbrauchern ist viel Vertrauen verloren gegangen – sie lassen sich nicht mehr alles andrehen, sondern haben gelernt, dass in der Bank keine „Berater“ sondern „Verkäufer“ sitzen. Manche stecken ihr Geld lieber in den Sparstrumpf, weil sie die Banken nicht mehr für sicher halten. Sie merken nun, dass auch vermeintlich sichere Anlageprodukte wie Rentenfonds erhebliche Verluste machen können, wenn sie in die falschen Instrumente – etwa Asset Bank Securities – investiert haben.

„Unsere Bilanz zum ersten Geburtstag der Finanzkrise: Kein Grund zum Feiern – jedenfalls nicht für die Verbraucher“, sagt Schmitz.

Informationen zu Lehman-Zertifikaten mit Auswertung von 400 Fällen und Urteilen, zu privater Altersvorsorge, Sparanlagen und Kreditzinsen sind zu finden unter www.vzhh.de.

Ein Gedanke zu „Ein Jahr Lehman: Schlechte Bilanz für Kunden“

  1. Vorsicht auch bei Gold!

    Nichts liebt der Mensch mehr als den Selbstbetrug! Das ist auch der Grund dafür, Gold als Inflationsschutz zu sehen, anstatt den Preisanstieg selbst als Inflation zu deuten. Aber wer jagt nicht lieber nominalen Zahlen hinterher, anstatt daran zu denken, dass eben genau dieses Gold die meistmanipulierte Ware der Welt ist? Immer dann, wenn alle anderen Veranlagungen unsicher geworden sind, entsteht erneut eine Goldblase. Und die Banken mischen mit: Ist der Preis hoch und wird ein plötzlicher Mehrverkauf angekündigt, fällt er unaufhaltsam.

    Teuer gekauft, zu spät ausgestiegen, das ergibt die Differenz, die nicht nur dazu führt, dass das Gold wieder in den National- bzw. Zentralbanktresoren verschwindet, sondern sie hilft auch (auf Kosten der Normalbürger, die in solcher Anlage Schutz suchen), die überschüssige Geldmenge zu reduzieren – zugunsten derer wohlgemerkt, die sie zuvor verursacht haben.

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