Das Energiesystem der Zukunft

Großprojekt NEW 4.0 für das Energiesystem der Zukunft soll am 1.12. 2016 starten mit 60 Partnern aus Hamburg und Schleswig-Holstein

Für das Jahrhundertprojekt Energiewende sind innovative Lösungen und herausragendes Engagement notwendig. Unter dem Titel NEW 4.0 hat sich in Hamburg und Schleswig-Holstein eine einzigartige Projektinitiative aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gebildet, die in einem länderübergreifenden Großprojekt eine nachhaltige Energieversorgung realisieren und gleichzeitig auch die Zukunftsfähigkeit der Gesamt-Region stärken will. Rund 60 Partner aus der Region und überregionale Partner bilden eine gut vernetzte und schlagkräftige „Innovationsallianz für das Jahrhundertprojekt Energiewende“ mit gebündeltem technologischem Know-How, unterstützt von den Landesregierungen beider Bundesländer.

„NEW“ steht für die Norddeutsche EnergieWende und „4.0“ beschreibt die Schwelle zur vierten industriellen Revolution: die Digitalisierung der Industrie, die durch eine intelligente Vernetzung der Systeme auch bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielt. Rund 90 Mio € investieren die Partner in den kommenden vier Jahren, das BMWi fördert dieses Schaufenster-Projekt (SINTEG – Schaufenster Intelligente Energie) mit rund 44 Mio €. Die Gesamtstrategie, rund 100 Einzelprojekte und 30 Demonstratoren wurden in der dreijährigen Vorbereitungszeit entwickelt.

Der Norden Deutschlands spielt für die Energiewende eine wichtige Rolle: als Energielieferant mit der wachsenden Anzahl an Onshore- und Offshore-Windparks in Schleswig-Holstein und als Industriestandort und Großverbraucher, insbesondere in Hamburg. NEW 4.0 verknüpft beide Länder zu einer Energie-Gesamtregion. Übergeordnetes Ziel ist es, als „Schaufenster“ für Deutschland, aber auch für Europa die Machbarkeit der Energiewende aufzuzeigen: NEW 4.0 will demonstrieren, wie die Region mit 4,5 Millionen Einwohnern bereits 2035 zu 100 Prozent sicher, kostengünstig, umweltverträglich und gesellschaftlich akzeptiert durch regenerative Energie versorgt werden kann und hierdurch 50-70% der CO2-Emissionen reduziert werden. Auf dem Entwicklungspfad zu diesem Ziel soll die Region bereits 2025 zu 70 Prozent sicher und zuverlässig mit regenerativem Strom versorgt werden. NEW 4.0 will aber weiter gehen durch “Sektorenkopplung”. Erneuerbare Strom soll auch sukzessive für die Wärmeversorgung und industrielle Prozesse, die bislang mit fossilen Energien wie Gas betrieben wurden, verwendet werden: aus der “Stromwende” soll in Schleswig-Holstein und Hamburg eine Energiewende werden.

Akteure aller Sektoren und entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Energiesektor haben sich zu NEW 4.0 zusammengeschlossen. Mit den im Projekt entwickelten Produktinnovationen und Lösungen können die beteiligten Unternehmen neue Markt- und Exportchancen erschließen und so ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem wachsenden Zukunftsmarkt stärken. Für die Bundesländer ist die Stärkung der regionalen Wirtschaft, die Entstehung neuer industrieller Wertschöpfungsketten und damit die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Perspektive – Hamburg und Schleswig-Holstein wollen sich als führender Innovationstandort profilieren.

Senator Frank Horch: „Für das Jahrhundertprojekt Energiewende sind innovative Lösungen und herausragendes Engagement erforderlich. Hamburg und Schleswig-Holstein haben erfolgreich die politischen und unternehmerischen Kräfte gebündelt. Mit NEW 4.0 beschreiben wir, wie die Energiewende gelingen kann. Wirtschaft und Wissenschaft im Norden haben ein einzigartiges Bündnis geschmiedet.“

Nach den Worten von Wirtschaftsminister Reinhard Meyer bietet das Projekt für Schleswig-Holstein und den gesamten Norden einmalige Chancen, erneuerbare Energien für wirtschaftliche Zwecke zu nutzen und dabei neue Geschäftsmodelle und Innovationen
zu entwickeln. „Ich erwarte viele Impulse – beispielsweise für unsere innovativen mittelständischen Unternehmen oder die Energieversorger im Land. Durch die Einbeziehung der Wissenschaft werden auch die Ziele unserer Innovationstrategie im Projekt NEW 4.0 hervorragend umgesetzt“, sagte Meyer.

Minister Dr. Robert Habeck: „Wir erproben mit NEW 4.0, wie die Energiewelt von morgen aussieht. Wie wir eine Welt mit einem sehr hohen Anteil größtenteils fluktuierender Erneuerbarer Energien effizient gemeinsam mit der Wirtschaft gestalten können. Das Prinzip Verantwortung hält damit Einzug in die Energieversorgung“

Senator Jens Kerstan: „Norddeutschland macht mit diesem Projekt eine großen Schritt hin zu einer Energiezukunft ohne Kohle und Atom. Hinter dem Projekt steht eine breite Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Mit NEW 4.0 wollen wir zeigen, dass die Region Hamburg bis 2025 zu 70 Prozent mit regenerativen Energien versorgt werden kann. Damit lösen wir gleichzeitig einen Innovationsschub für die Industrie aus. Ein Verzicht auf Kohle und Atom ist machbar. Der Norden kann so zum Vorreiter werden für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft in Deutschland.“

Region erfüllt schon heute Energiewende-Ziele für 2025

Hauptaufgabe des Großprojekts ist es zu zeigen, wie die vollständige Integration der Erneuerbaren Energien in einer Region mit extremen und wachsenden Ungleichgewichten zwischen Erzeugung und Verbrauch gelingen kann. Erforderlich ist daher eine vollständige Synchronisation von (schwankender) Erzeugung und Verbrauch. Hierzu sollen in einem neuartigen Konzept für die ganzheitliche Systemintegration alle Komponenten bzw. Akteure der Erzeugung, Transport, Verteilung, Speicherung und Verbrauch vollständig integriert, intelligent miteinander vernetzt und optimal aufeinander abgestimmt werden. Gleichzeitig soll die marktorientierte Integration mithilfe weiterentwickelter Marktregeln bzw. regulatorischer Bedingungen erprobt werden.

NEW 4.0 hat durch die Landesregierungen eine sog. “Experimentierklausel” bei der Bundesregierung erwirkt, mithilfe derer die Wirksamkeit eines zukünftigen Rechtsrahmens erprobt und wertvolle Erkenntnisse für die Bundespolitik zur Entwicklung des zukünftigen Marktdesigns liefern soll.

NEW 4.0 wird die Kernherausforderungen der Energiewende mit einer Doppelstrategie lösen:
die Steigerung des Stromexports in andere Regionen durch effiziente Nutzung und Ausbau der Energieinfrastruktur in der Region und durch die Erhöhung der energetischen Selbstverwertungsquote für regionale, regenerative Erzeugungspotenziale mit Hilfe konsequenter Sektorenkopplung.

Die einzelnen Aufgabenstellungen umfassen

– Die Entlastung der Übertragungsnetze zur Vermeidung von Netzengpässen
– Die “Ertüchtigung” und Optimierung von Netzen zur Steigerung der Kapazität
– Einsatz von Speichern zur Systemstabilität und zum Ausgleich der Schwankungen von Erzeugung und Verbrauch
– Verbesserung der Netzintegration von Windenergieanlagen durch innovative Technologien zur Regelung
– Die Flexibilisierung des (industriellen) Verbrauchs in ganz neuen Dimensionen, d.h. den Verbrauch der Erzeugung anzupassen durch Power to Heat-, Power to Steel- und Power to Gas-Konzepte. Die notwendige Flexibilisierung soll bei den Industriepartnern des Konsortiums durch veränderte Betriebsweisen und den Einsatz neuer Technologien entwickelt werden
– Die Vernetzung aller Systemkomponenten durch neue Informations- und Telekommunikationstechnologien (IKT). Durch leistungsfähige innovative digitale Prozesse soll Echtzeit-Kommunikation über Netzinformationen geschaffen werden. Die intelligente Vernetzung und ganzheitliche Integration aller Komponenten soll eine wesentliche Reduzierung der konventionellen Mindesterzeugung, u.a. von Kohlekraftwerken, bewirken und damit wesentlich CO2 reduzieren.

Durch aktive begleitende Kommunikation in der gesamten Modellregion während der Projektlaufzeit soll Akzeptanzsteigerung in allen gesellschaftlichen Gruppen erzielt werden.
Die Erkenntnisse aus der Projektarbeit sollen in Qualifizierungskonzepte für Aus- und Weiterbildung münden.
NEW 4.0 zeigt erstmalig, wie auf der Verbrauchsseite Lasten in der Industrie im Verbund im dreistelligen Megawatt-Bereich und Arbeit im vierstelligen MWh-Bereich zeitlich verlagert werden und sich der Erzeugung anpassen können – dies birgt für die Energiewende ein großes Potential. Auf der Erzeugungsseite werden eigenständig agierende Verbundsysteme miteinander verbunden, um Entlastungen auf Übertragungs- und Verteilnetzebene zu erbringen. Die Zusammenführung von heterogenen „Virtuellen Kraftwerken“ mit rd. 1,6 GW erfordert dabei eine Echtzeitkommunikation zwischen allen Einheiten und ein Zusammenarbeiten aller Partner.

„Die Einzigartigkeit und besondere Herausforderung von NEW 4.0 ist, dass erstmalig das Zusammenspiel der unterschiedlichen technologischen Lösungsansätze, die marktorientierte Integration in den Energiemarkt und die regulatorischen Rahmenbedingungen ganzheitlich in diesem Praxisgroßtest erprobt werden. Die Ergebnisse werden zum Gelingen der notwendigen Transformation des gesamten Energiesystems beitragen“, so Koordinator und Projektleiter Prof. Dr. Beba.

Für die Projektsteuerung ist ein fünfköpfiges Führungsgremium (ARGE) aus Wirtschaft und Forschung zuständig: Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender HanseWerk AG sowie Vorstand Schleswig-Holstein Netz AG, Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer ARGE Netz, in der rund 300 Unternehmen mit Schwerpunkt Erneuerbare Energien gebündelt sind, Dr. Oliver Weinmann, Geschäftsführer Vattenfall Europe Innovation GmbH, Michael Westhagemann, Vorsitzender Industrieverband Hamburg und CEO Siemens Nord sowie Prof. Dr. Werner Beba, Leiter des Competence Centers für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Sprecher der ARGE und Projektleiter ist Prof. Dr. Werner Beba.

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