Chemie-Tarifrunde geht in heiße Phase

Die regionalen Tarifverhandlungen für die rund 580.000 Beschäftigten der chemischen Industrie sind ohne Ergebnis geblieben. Bei keiner der neun Verhandlungsrunden machte die Arbeitgeberseite ein diskussionsfähiges Angebot. Die Vertreter der IG BCE brachten die Forderungen der Tarifkommissionen mit: 6 Prozent mehr Lohn, eine Verdopplung des Urlaubsgelds und eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen.

Unterstützt wurden die Verhandlungen in verschiedenen Regionen durch Aktionen der Jugend; ein Schwerpunkt lag dabei auf der Anhebung des Urlaubsgelds für Auszubildende.
„Die chemische Industrie strotzt vor Kraft, die Auslastung der Anlagen liegt auf Rekordniveau. Die Chemiebeschäftigten leisten gute Arbeit, sie haben sich eine faire Entgelterhöhung verdient“, begründet Ralf Sikorski, Verhandlungsführer der IG BCE bei den anstehenden bundesweiten Verhandlungen, die Forderungen. „Mit der kräftigen Anhebung des Urlaubsgeldes setzen wir auch ein soziales Zeichen, denn davon profitieren die Beschäftigten in den unteren Entgeltgruppen überproportional.“

Bei den Verhandlungen auf regionaler Ebene stellten die Unternehmensvertreter allerdings die wirtschaftliche Lage der Branche als deutlich schlechter dar, als sie es nach objektiven Kriterien ist. Allein die Erwartung eines geringer als im Vorjahr ausfallenden Wachstums reichte den Arbeitgebern als Argument für eine schlechter werdende Konjunktur und daraus zu erwartende Schwierigkeiten. Die außerordentlich guten Ergebnisse des Jahres 2017 bezeichneten sie als Sondereffekt.

„Wir sind leider nicht weitergekommen, weil die Arbeitgeber es nicht geschafft haben, ein vernünftiges Angebot auf den Tisch zu legen“, sagt Ralf Sikorski. „Sie haben fast gebetsmühlenartig immer wieder versucht, die Zukunft kritisch zu sehen und schwarz zu malen – auch um von der sehr, sehr guten Situation abzulenken, in der sich die Chemieindustrie befindet.“

In diesen Tagen präsentiert die Branche auch für das erste Halbjahr 2018 glänzende Zahlen. So mancher börsennotierte Konzern hat seine Geschäftsprognosen für das Gesamtjahr sogar noch einmal angehoben. Der Boom sorgt für Mehrarbeit in den Betrieben: Gut 4,5 Prozent mehr Arbeitsstunden wurden im Juni 2018 gegenüber dem Vorjahresmonat geleistet.

Wer ein realistisches Bild von der Situation der Branche bekommen will, braucht nur in die vom Verband der Chemischen Industrie – in dem die Unternehmen organisiert sind – herausgegebenen Broschüre „Chemie-Barometer“ zu werfen. So heißt es in der Juli-Ausgabe: „Die aktuelle Geschäftslage der Chemie- und Pharmaunternehmen hat sich im Juni 2018 verbessert.“ Auch die Prognose für die Zukunft ist nicht so schlecht, wie sie die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen darstellen: „Immer noch gehen knapp 95 Prozent der befragten Chemie- und Pharmaunternehmen davon aus, dass die Geschäfte in den kommenden Monaten so gut wie bisher – oder vielleicht noch besser – laufen werden.“ Nach Krisenstimmung hört sich das nicht an.

Das Niveau ist sehr hoch, weil die Branche in den vergangenen Jahren gute Zuwächse erzielt hat. „Im Mai 2018 konnte die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie gegenüber dem Vormonat sehr stark zulegen“, heißt es in der Broschüre. In den ersten fünf Monaten des Jahres liege die Produktion von Chemikalien und Pharmazeutika bereits 6,8 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Auch der Umsatz ist gestiegen: Im Mai 2018 sei ein Wachstum von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen gewesen.

Das Chemie-Barometer geht auch auf die Ausgaben für Löhne ein: Das Entgelt je Beschäftigten sei von Januar bis April 2018 um 1,2 Prozent gestiegen. Da die Produktivität aber stark über dem Niveau des Vorjahres gelegen habe, seien die Lohnstückkosten ordentlich gesunken. Im Klartext heißt das: Der einzelne Beschäftigte produziert mehr. Grund genug, ihn auch stärker am Gewinn zu beteiligen. Weil er es wert ist.

Bei den regionalen Tarifverhandlungen berichteten Betriebsräte und Vertrauensleute, wie sie die Lage in den Unternehmen erleben. Viele von ihnen betonten, wie dringend die Beschäftigten angesichts stetig steigender Kosten für Miete und sonstige Lebenshaltung eine Lohnerhöhung brauchen. Und wie gerechtfertigt diese angesichts des wachsenden Drucks ist, immer höhere Produktionsziele zu erreichen.

„Wir haben den Versuch der Arbeitgeber, die Zukunft schwarz zu malen, argumentativ widerlegt“, sagt Ralf Sikorski über die erste Runde der Tarifverhandlungen. Am 5. September geht die Tarifrunde nun in die heiße Phase, dann wird zunächst in Hannover auf Bundesebene weiterverhandelt. „Wir werden nun die Sommerpause nutzen, in den Betrieben präsent zu sein, mit unseren Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren.“ Darüber hinaus will die IG BCE deutlich machen, wie wichtig es ist, die Gewerkschaft zu unterstützen – mit einer Mitgliedschaft. Ralf Sikorski: „Gemeinsam sind wir stark.“

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