Bis zu 18 Monate im Lkw: So werden Fahrer in Europa ausgebeutet

Einige Habseligkeiten in der Plastiktüte, Kochen und Essen am Straßenrand, Schlafen in der Fahrerkabine – und das Tag für Tag, bis zu anderthalb Jahre lang. So mussten Dutzende philippinische Lkw-Fahrer auf europäischen Straßen leben. Aufgedeckt haben den Fall jetzt europäische Gewerkschaften und das DGB-Projekt „Faire Mobilität“.

Es bestehe der „dringende Verdacht auf Menschenhandel und Arbeitsausbeutung“, berichtet das DGB-Projekt „Faire Mobilität“. Aufgedeckt worden sind Fälle in Dänemark, den Niederlanden – und in Deutschland: In Ense, in der Nähe von Dortmund, sitzen 16 philippinische Fahrer auf dem Betriebsgelände einer Logistik-Firma fest. Gewerkschafter aus den Niederlanden und von Faire Mobilität sind seit Samstag in Ense vor Ort und unterstützen die Fahrer.

„Hausen in ihren LKWs“ – auch am Wochenende

Die Männer von den Philippinen berichten von teilweise unmenschlichen Zuständen: Seit bis zu 18 Monaten leben und arbeiten sie in ihren Fahrzeugen. Ihre Wochenenden verbringen sie auf dem Betriebsgelände der Firma in Ense, hausen in ihren LKWs. In dieser Zeit scheint der Betrieb abgeschlossen zu sein. Es stehen keine Duschen zur Verfügung, lediglich ein Dixi-Klo für 16 Fahrer.
Laut „Faire Mobilität“ ermitteln Polizei, das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) und das Ordnungsamt seit dem vergangenen Sonntag. Das BAG wolle Bußgelder gegen das Unternehmen verhängen. Dennoch wurde es den Fahrern am Dienstag dieser Woche freigestellt, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Ein Teil dieser Fahrer will sich gemeinsam mit den Gewerkschaften und „Faire Mobilität“ gegen die Arbeitsausbeutung zur Wehr setzten. Andere haben Angst, ihren Job zu verlieren. Denn mit dem Lohn ernähren sie ihre Familie auf den Philippinen.

Wer steckt dahinter?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts „Faire Mobilität“ fassen den Fall auf ihrer Webseite zusammen:
„Das dänische Unternehmen Kurt Beier Transport A/S wirbt gegen eine Gebühr Menschen auf den Philippinen an und verspricht ihnen einen Job als LKW-Fahrer in Polen. Es gibt Hinweise, dass die Firma in Polen zu dem dänischen Unternehmen gehört, bei der es sich vermutlich um eine Briefkastenfirma handelt.

Die Fahrer haben angegeben, dass sie 2.000 bis 5.000 Euro bezahlen mussten, damit ihnen über diese Firma die nötigen Papiere besorgt werden, damit sie EU-weit als LKW-Fahrer eingesetzt werden können. Sie verfügen in Polen über keine Unterkunft, sondern nur über einen polnischen Arbeitsvertrag und werden sofort in ihrem LKW losgeschickt, um in verschiedenen Ländern Europas zu fahren.
Die Männer gaben an, hauptsächlich Touren zwischen Deutschland und Österreich und Deutschland und Italien zu fahren. Der Arbeitsmittelpunkt sei Ense.“

Neben den katastrophalen Arbeitsbedingungen wurden die philippinischen Fahrer offenbar auch um Lohn geprellt. „Faire Mobilität“ geht davon aus, dass den Fahrern für jede Stunde, in der sie in Deutschland gearbeitet haben, der deutsche Mindestlohn gezahlt werden müsste. Eine erste Lohnberechnung habe ergeben, dass einem der Fahrer 2.300 Euro zustehen. Seit seiner Ankunft in Europa habe er aber bisher lediglich 500 Euro Lohn erhalten.

Wie geht es jetzt weiter?

„Wir fordern die Staatsanwaltschaft auf, erneut zu prüfen, ob der Anfangsverdacht auf Menschenhandel, Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft gegeben ist“, so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Faire Mobilität“. Denn die zuständige Staatsanwaltschaft in Arnsberg habe am Mittwoch dieser Woche auf Nachfrage erklärt, dass sie keine Hinweise auf einen Anfangsverdacht für diese drei Straftaten sehe.

Die Gespräche mit den Fahrern deuteten jedoch darauf hin, „dass sie in diese Situation hineingedrängt und gehalten wurden. Indikatoren dafür sind die enormen finanziellen Aufwendungen, um die Arbeit aufnehmen zu können, die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, die Isolation der Fahrer, die Verknüpfung von Arbeits- und Lebensort im LKW, die Mindestlohnunterschreitungen, Diskriminierung, sowie Druck, die Lenk- und Ruhezeiten nachweislich zu missachten“, berichtet „Faire Mobilität“.

Hintergrund zu „Faire Mobilität“

Das Projekt „Faire Mobilität“ hilft, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor allem aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchzusetzen. Die politische Verantwortung für das Projekt liegt beim DGB-Bundesvorstand. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und den DGB-Gewerkschaften.

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