Bei Pleite alles super?

GEIER.jpgDie Zahl der Verbraucher-Insolvenzverfahren ist in Hamburg innerhalb nur eines Jahres um 56 % gestiegen. Der DGB wertet dies als Alarmsignal, während die CDU den Abschluss der Privatisierung bei der Schuldnerberatung bejubelt. Der GAL wiederum dauert es zu lange, bis man dort einen Termin bekommt – durchschnittlich sechs Monate Wartezeit.

Der Hamburger Senat sollte sich für eine echte Chance auf Entschuldung und gegen die geplante Reform des Verbraucherinsolvenz-Verfahrens auf Bundesebene stark machen, fordert der DGB Hamburg und kritisiert angesichts der langen Wartezeiten bei den Beratungsstellen die Jubelmeldung der Hamburger CDU-Fraktion über die Privatisierung der Schuldnerberatung.

In Hamburg gibt es nach Angaben der Verbraucherzentrale über 100 000 überschuldete Menschen – das sind etwa 5,9 Prozent der Hamburger Bevölkerung. Typische Auslöser sind Arbeitslosigkeit, Trennung/Scheidung, Unfall/Krankheit oder gescheiterte Selbstständigkeit. Doch nur weniger als 10 000 Überschuldete sind in Hamburg bisher in den Genuss des Insolvenzverfahrens (in Kraft seit 1999) gekommen.

Im Jahr 2005 wurden in Hamburg 2109 Insolvenzverfahren für Privatleute eröffnet, geht aus Angaben des Statistischen Landesamts Nord hervor. Nur ein Bruchteil der Überschuldeten gelangt in die Verfahren – doch die Zahlen nehmen seit Inkrafttreten des Gesetzes von Jahr zu Jahr drastisch zu: Allein im 1. Quartal 2006 ist eine Steigerungsrate von über 56 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen; der Anstieg von 2004 auf 2005 betrug noch 37,4 Prozent.

Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg. „Nur wenige Überschuldete haben den Mut, ihr Problem anzugehen, und noch weniger halten an diesem Plan fest, bis sie endlich einen Beratungstermin bei einer Schuldnerberatungsstelle erhalten und schließlich das Entschuldungsverfahren beginnt. Es besteht ein enormer Nachholbedarf an Unterstützung für diesen Personenkreis, doch anstatt dieser Tatsache mit entsprechenden Angeboten zu begegnen, schwärmt die Hamburger CDU-Fraktion von der Privatisierung der Schuldnerberatungsstellen und spricht dabei auch noch von ,sozialer Wärme‘. In welchen Lebenswelten bewegen sich diese Menschen eigentlich?“

Derzeit plant die Bundesregierung sogar Einschnitte in das bestehende Gesetz zur Verbraucherinsolvenz. „Wir erwarten, dass sich der Senat auf Bundesebene gegen die geplanten Verschlechterungen bei der Verbrauchinsolvenz engagiert und daneben in Hamburg mehr qualifizierte Anlaufstellen für Überschuldete schafft“, fordert Hamburgs DGB-Vorsitzender. Mittelfristig gelte es, sich der Armut als strukturellem Problem zu stellen und der häufig damit einhergehenden Arbeitslosigkeit und Verschuldung vernünftige Konzepte
entgegenzusetzen.“

Zur Privatisierung der Schuldner- und Insolvenzberatung erklärt für die GAL Martina Gregersen:

Die Privatisierung der Schuldner- und Insolvenzberatung ist nun abgeschlossen und die Behörde sowie die CDU- Fraktion jubeln der Erfolge und Verbesserungen für die Betroffenen. Zwar geben die Beratungsstellen ihr Bestes, doch Grund zum jubeln gibt es nicht.

„Wartete man bisher in den Jahren 2002 bis 2005 ca. 7,4 Monate auf eine Beratung, sind es nun 6 Monate“ so die sozialpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Martina Gregersen. „An eine Schuldnerberatung wendet man sich in der Regel erst, wenn einem das Wasser schon bis zum Hals steht. Dann aber sind solche Wartezeiten immer noch viel zu lang!“

Zu allem Überfluss drohe den Ärmsten noch weiteres Ungemach. Denn der hohe Anstieg der Zahl erfolgreich durchgeführter Verbraucherinsolvenzen in Hamburg stoße nicht nur auf positives Echo. Der CDU seien die Zahlen zu hoch geworden. Nun solle eine Reform des Insolvenzrechts verhindern, dass sich wirklich alle Haushalte entschulden können. Laut der CDU-Rechtsexpertin Viviane Spethmann, so Gregersen, sollen nur diejenigen, bei denen noch pfändbares Vermögen oder Einkommen vorhanden ist, in den „Genuss“ einer Verbraucherinsolvenz kommen. Vielen werde diese bundesweit durch die CDU geführte und aus Hamburg unterstützte Bundesratsinitiative aber zum Verhängnis werden.

So könne das vorrangige Ziel der Schuldnerberatung, den überschuldeten Menschen mit einem Insolvenzverfahren die vollständige Entschuldung und damit einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, nicht erreicht werden.

„Wer schon im Schuldenstrudel untergegangen ist und dadurch auch kein pfändbares Eigentum oder Einkommen mehr hat, fällt dank der CDU durch den Rost. Da können dann die Beratungsstellen noch so gute Arbeit leisten, für die meisten wird es dann keinen Neuanfang mehr geben!“ so Gregersen.

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