Befristungswahn in Hamburg

ver.di fordert mit dem Projekt „(UN)BEFRISTET“ Regelungen gegen grundlos befristete Arbeitsverhältnisse.

In Deutschland ist die Anzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse bei Neueinstellung seit 2001 von 32% auf 42% im Jahr 2013 gestiegen. Die Befristungsquote bei weiblichen Neueinstellungen ist dabei mit 47% überdurchschnittlich hoch. Junge Beschäftigte sind von Befristungen besonders stark betroffen. Bei den 25 – 35 jährigen sind es 14,1 % und bei den 15-25 jährigen sogar 24,6%, die ausschließlich in einem befristeten Arbeitsverhältnis arbeiten. Der Begriff „Generation Befristung“ ist Ausdruck davon. Planungsunsicherheit und Schwierigkeiten im Lebensalltag und in der Lebensplanung sind die Folgen, mit denen die befristeten jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kämpfen haben.

Befristete Einstellungen als Ersatz bei Krankheitsfällen oder als Schwangerschaftsvertretung können ihre Berechtigung haben.
Allerdings nur solange keine endlosen „Kettenbefristungen“ daraus werden.
Befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund sind in der Regel eine Form prekärer Beschäftigung und gehören damit vom Tisch.
Trotz Unterschieden in den Branchen ist laut dem IAB* der Dienstleistungssektor besonders stark von Befristungen betroffen.

Bei diesem Deutschlandtrend bildet auch die Dienstleistungsmetropole Hamburg keine Ausnahme. Mit einer Befristungsquote von knapp 10% aller Arbeitsverhältnisse liegt Hamburg sogar über dem Bundesdurchschnitt. (Quelle: Mikrozensus**) Demnach arbeiten 75.000 abhängig Beschäftigte in Hamburg befristet, 35.000 davon grundlos.
Auf der Rechercheliste von ver.di über Betriebe in Hamburg, bei denen grundlose Befristungen gang und gäbe sind, stehen u.a. Bildungs- und Weiterbildungsträger, gewerbliche und patientenferne Bereiche an Hamburger Krankenhäusern, Betriebe der öffentlichen Hand, die Deutsche Post AG, der Hamburger Flughafen und der Handel ganz oben.

Vertreter aus Hamburger Betrieben zur Situation befristet Beschäftigter:

Katharina Ries-Heidtke, Konzernbetriebsratsvorsitzende Asklepios, zur Situation bei Asklepios:
„In den Bereichen mit hoher Befristung herrscht ein Klima der Angst. Befristete gehen kaum zum Betriebsrat und fordern seltener ihre Rechte und Ansprüche ein – man möchte ja entfristet werden!“

Olaf Brendel, Betriebsrat HF – Hermes Fulfillment (Otto-Logistik) zur gesundheitlichen Situation von befristet Beschäftigten:
„Befristete Kolleginnen und Kollegen kommen häufiger krank zur Arbeit. Ein unhaltbarer Zustand für die Betroffenen und die gesamte Belegschaft.“

Peter Petersen, langjähriger Betriebsrat Grone Schule, zur Situation bei dem Weiterbildungsträger:
„Eine Lebensplanung für junge Beschäftigte mit Befristung geht fast nicht. Es herrscht eine dauerhafte Unsicherheit bei der Frage, ob man entfristet wird oder nicht.“

Um diese Form der prekären Beschäftigung in Hamburg zukünftig auszuschließen, wird die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit dem Projekt „(UN)BEFRISTET“ jetzt den Senat und damit die öffentlichen Betriebe auffordern, regionale Regelungen zur Eindämmung von Befristungen zu treffen. Parallel zum Senat wird sich ver.di an die Kammern wenden, um auch in der Hamburger Privatwirtschaft ein Zeichen gegen die Prekarisierung in der Arbeitswelt durch Befristungen zu setzen.

Dazu Berthold Bose, Landesbezirksleiter ver.di Hamburg: “Wir sagen ganz eindeutig: Schluss mit dem Befristungswahn! In einer reichen Stadt wie Hamburg wirkt es beschämend, dass auch hier grundlosen Befristungen in den öffentlichen und privatwirtschaftlichen Betrieben Tür und Tor geöffnet wurden und die Arbeitgeber sich ihrer Verantwortung entledigen. Es passt einfach nicht zum Bild des ehrbaren Hamburger Kaufmanns, den Schwächsten in der Beschäftigungskette die Karotte für ein sicheres Arbeitsverhältnis vor die Nase zu halten, um sie dann doch sang und klanglos vor die Tür zu setzen. Diese grundlosen Befristungen gehören ein für alle Mal vom Tisch!“

Gemeinsam mit Betroffenen, Betriebsräten und aktiven ver.di Mitgliedern wird ver.di Hamburg die Öffentlichkeit über die Situation in den Betrieben informieren. Dazu sind ab Anfang September verschiedenste Aktionen in der Stadt geplant.

Quellen:

*IAB / Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
** Mikrozensus / Statistikamt Nord, aktuellste Zahlen 2012 – 2013

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