Umwelthauptstadt – oder Umwelt-Nullnummer?

Einerseits wird Hamburg „Umwelthauptstadt“, andererseits wird das riesige Kohlekraftwerk in Moorburg gebaut, sehen die CO2-, die Lärm- und die Feinstaubbilanz kein Stück besser aus als vor einem Jahr. Einerseits beginnt der Bau einer Stadtbahn, andererseits wird wenig bis nichts für den Ausbau erneuerbarer Energien getan, soll es statt ökologischer Stadtwerke nur eine städtische Stromverkaufsagentur geben. Kein Wunder, dass die Bilanz in der Debatte des Umwelt-Haushalts höchst unterschiedlich ausfiel. Wir dokumentieren.

Weggen (GAL): „Schwarz-Grün bewegt viel Geld für Klima- und Umweltschutz“

„Ernstgemeinter Klimaschutz kostet Geld. Und dieses Geld nimmt die schwarz-grüne Koalition mit dem vorgelegten Haushalt in die Hand“, sagte Jenny Weggen, umweltpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, am Donnerstag mit Blick auf die Debatte über den Haushaltsplanentwurf der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. „Unsere Anstrengungen im Klimaschutz wurden sogar auch von der EU honoriert, die uns für 2011 den Titel Green Capital verlieh.“

„Die ehrgeizigen Projekte des Klimaschutzkonzepts, die die Koalition mit dem neuen Haushalt finanziert möchte, haben maßgeblich zur Wahl der Grünen Hauptstadt Europas beigetragen. Hier werden in den kommenden zwei Jahren viele neue und wichtige Maßnahmen zur Kohlendioxid-Einsparung, durch die Förderung erneuerbarer Energien und Effizienzsteigerungen aber auch Maßnahmen in den Bereichen Forschung und Bewusstseinsbildung umgesetzt“, sagte Weggen. „Ein grüner Erfolg im Koalitionsvertrag ist die Einigung auf eine Senkung des CO2-Ausstosses um 40 Prozent bis 2020. Der Weg dahin wird jetzt mit diesem Haushalt und den neuen grünen Schwerpunkten geebnet.“

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die Gründung einer städtischen Energieagentur, die auf Initiative der GAL-Fraktion bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt mit vier Personalstellen und 765 000 Euro Sachmitteln angesiedelt werden soll. Weggen: „Beim Klimaschutz müssen alle Bürgerinnen und Bürger mitmachen. Die Energieagentur wird sie über sämtliche Möglichkeiten dazu informieren und zu mehr CO2-Einsparungen motivieren.“

Die Koalition investiert mit dem vorliegenden Haushalt nicht nur in den Klimaschutz, auch den Naturschutz möchte sie vermehrt fördern. „Mit den aufgestockten Mitteln zeigen wir, dass wir es ernst meinen mit unserem grünen Auftrag, und holen den Naturschutz auf die Agenda. Wir setzen hier neue Akzente und stärken zentrale Akteure. Insgesamt betrachtet ist der Umwelt-Haushaltsplan der Startschuss für eine neue Umwelt- und Naturschutzpolitik in Hamburg“, sagt Weggen.

Schaal (SPD): „Vor allem Moorburg-Genehmigung verhagelt Hajduk die Bilanz“

SPD-Umweltexpertin Monika Schaal hat nach einem knappen Jahr schwarz-grüner Umweltpolitik eine ernüchternde Bilanz gezogen. Mit der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg habe Senatorin Hajduk das zentrale Wahlversprechen der GAL gebrochen. Und mit der unmittelbar danach erklärten Absicht, Stadtwerke gründen zu wollen, habe sie lediglich die öffentliche Aufregung über die Kraftwerksgenehmigung dämpfen wollen. „Vor allem die Moorburg-Genehmigung verhagelt der Umweltsenatorin die Bilanz. Und passiert ist in Sachen Stadtwerksgründung so gut wie nichts. Damit kann niemand zufrieden sein – am wenigsten die GAL“, sagte Schaal am Donnerstag in der Bürgerschaft.

Auch in anderen Bereichen falle die schwarz-grüne Umweltbilanz bescheiden aus. Im Rahmen des Ende 2007 beschlossenen Klimaschutzkonzeptes habe der Senat bislang erst elf Maßnahmen von etwa 200 umgesetzt. Die GAL habe dann noch 83 Ideen draufgesattelt. „Ob die eine Chance haben, ist offen. Zusätzliches Geld gab es jedenfalls nicht“, sagte Schaal.

Sie bedauerte, die grüne Umweltsenatorin setze offensichtlich mehr auf schnelle Eigenwerbung als auf langfristig wirkende Umweltpolitik, und das Geld für Klimapolitik werde verkleckert. So dürfe Hamburg im Jahr 2011 zwar den Titel „Umwelthauptstadt Europas“ führen. Der Senat habe dafür vom Klimaschutzprogramm rund eine Million Euro abgezwackt. Andererseits stehe für den Ausbau erneuerbarer Energien lediglich eine halbe Million Euro zur Verfügung. „Ich fürchte, hier stimmt die Gewichtung nicht.“ Die SPD plädierte dafür, die Mittel für Klimaschutz auf das zu konzentrieren, was wirkt: energetische Gebäudesanierung, erneuerbare Energien und den Umbau des Energiesystems.

Kritisch setzte sich Schaal mit den Überlegungen des Senats zur Gründung von Stadtwerken auseinander. „Die Idee einer Energieversorgung aus öffentlicher Hand steht im Wahlprogramm der SPD, und sie ist gut. Eine große Anfrage der SPD habe ergeben, dass es noch keine konkreten Schritte hin zu einer umfassenden Stadtwerks-Planung gebe. Schaal verlangte erneut klare Aussagen zu Ernsthaftigkeit und Planungsstand des Projektes Stadtwerke, das auch den Klimaschutz schneller voranbringen kann und dafür sorgt, dass Energie- und Klimapolitik keine soziale Schlagseite bekommt. Mit einem Antrag fordert die SPD den Senat auf, sich für das Projekt Stromspar-Check zu bewerben. Dabei sollen Langzeitarbeitslose mit entsprechender Schulung Menschen mit geringem Einkommen beim Energiesparen und beim Klimaschutz unterstützen.

Defizite sieht die SPD auch beim Thema öffentliche Grünanlagen. Hier habe der Senat die Mittel derart zurückgefahren, dass die Pflege von Parks und Spielplätzen nicht mal mehr zur Hälfte erledigt werden kann. Der Rechnungshof habe festgestellt, dass den Bezirken für die Grünpflege jährlich 22 Millionen Euro fehlen. Auch diese Zahl sage etwas über die schwarz-grüne Umweltpolitik aus, sagte die SPD-Umweltexpertin.

Heyenn (LINKE): Umwelt-Haushalt – viel heiße Luft

Am letzten Tag der Haushaltsdebatte kritisierte Dora Heyenn das Klimaschutzkonzept und die Planungen des Senats unter dem Namen „Hamburg Energie“.

„Was Schwarz-Grün plant ist ein reiner Händler für Strom, der lediglich das Etikett „Öko“ trägt, aber nichts zur ökologischen Energiewende beiträgt. Echte Stadtwerke sind Verbundstadtwerke, die auch in der Energieerzeugung tätig sind“, erläutert Dora Heyenn, umweltpolitische Sprecherin.

Hamburg hatte letzte Woche, von viel Selbstbeweihräucherung des Senats begleitet, auch den Preis der Europäischen Kommission „Grüne Hauptstadt Europas“ für 2011 gewonnen. Es zeigte sich aber, dass wie im Klimaschutzkonzept des Senats der zu Grunde gelegte Berechnungsmaßstab bei der CO2-Minderung Großkraftwerke nicht berücksichtigt.

„Moorburg zählt nicht mit, Schiffsabgase zählen nicht mit, der Flughafen zählt nicht mit und der Wasserverbrauch der Industrie zählt ebenfalls nicht mit. Grünflächen aber machten für Hamburg Punkte bei der Europäischen Kommission – auch wenn es sich nur um 1 cm hohen Rasen ohne jeden ökologischen Effekt handelt“, empört sich Heyenn.

Selbst der von der GAL benannte Experte bestätigte in der Anhörung des Unweltausschusses zum Klimaschutzkonzept, dass diese Zählweise bei den CO2-Emissionen letztlich nur ein Trick sei. Senatorin Hajduk lehnte auf Nachfrage der LINKEN ausdrücklich ab Konsequenzen aus der umfangreichen Kritik in der Anhörung zu ziehen und ließ das Klimaschutzkonzept unverändert.

„Das einzige, was in Hamburg zum Klimaschutz geschieht, ist an Wettbewerben teilnehmen und die CO2-Emissionen schön rechnen. Durch diese Manipulationen wird das Ziel die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % zu senken rechnerisch vielleicht erreicht. Dennoch wird der Meeresspiegel stärker ansteigen als wir es uns heute träumen lassen und der Klimawandel wird nicht gebremst. Was wir in Hamburg wirklich brauchen sind wirksame Maßnahmen und keine Werbekampagnen“, schloss Heyenn ihre Rede in der Bürgerschaft.

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